Chancen für engere Zusammenarbeit in energiepolitischen Fragen

25. November 2022

Die Lage um die Ener­gie­ver­sor­gung in Mit­tel­eu­ro­pa ist die­ser Tage so ange­spannt wie lan­ge nicht. Grund genug um in unse­rer Dre­län­der­re­gi­on zusam­men­zu­kom­men und nach Grün­den und Lösun­gen zu suchen.

 

Den Aus­gangs­punkt für den Tri­la­te­ra­len Dia­log am 02. Novem­ber 2022 in Zit­tau bil­det die Fra­ge, war­um mehr Ver­ständ­nis für natio­nal­staat­li­che ener­gie­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen, eine zukunfts­ge­rich­te­te Ener­gie­po­li­tik mit stär­ke­rer Fokus­sie­rung auf erneu­er­ba­re Ener­gien und dem Aus­bau von Koope­ra­tio­nen in der pol­nisch-tsche­chisch-säch­si­schen Drei­län­der­re­gi­on not­wen­dig sind.

 

Die ener­gie­po­li­ti­sche Lage in Mit­tel­eu­ro­pa ist so ange­spannt wie nie zuvor und hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf unser Leben. Einer­seits drängt die Euro­päi­sche Uni­on seit lan­gem auf eine Erhö­hung des Anteils der Ener­gie aus erneu­er­ba­ren Quel­len, ande­rer­seits müs­sen wir uns im Hin­blick auf die demo­kra­ti­schen Wer­te und das mora­li­sche Gewis­sen drin­gend aus der Abhän­gig­keit vom rus­si­schen Gas lösen. Deutsch­land, Tsche­chi­en und Polen tei­len einen gemein­sa­men Kul­tur- und Wirt­schafts­raum. Die Ener­gie­po­li­tik ist eine DER zen­tra­len Fra­gen, nicht nur, aber vor allem für die Dreiländerregion.

 

Dis­ku­tiert wur­den nicht nur die unter­schied­li­chen ener­gie­po­li­ti­schen Ansät­ze der drei Län­der Deutsch­land, Tsche­chi­en, Polen, son­dern auch Zukunfts­chan­cen neu­er Tech­no­lo­gien. Am Bei­spiel des Braun­koh­le Groß­kraft­wer­kes in Turów wur­den Chan­cen für eine enge­re Zusam­men­ar­beit in der Regi­on diskutiert.

 

Paneldiskussionen zur Darstellung unterschiedlicher Perspektiven

 

Im Rah­men von zwei Panel­dis­kus­sio­nen wur­den sowohl regio­na­le als auch euro­päi­sche Per­spek­ti­ven zum The­ma Ener­gie­si­cher­heit ausgetauscht.

 

Im ers­ten Panel dis­ku­tier­ten die Panelis­ten aktu­el­le Her­aus­for­de­run­gen und Pro­ble­me des regio­na­len Ener­gie­sek­tors.. Gre­gor von Kam­pen-Banisch (PL), Prä­si­dent des Zen­trums für Erneu­er­ba­re Ener­gien beton­te die Not­wen­dig­keit des Aus­baus von erneu­er­ba­ren Ener­gien für eine zukunfts­ge­rich­te­te Ener­gie­po­li­tik und des­sen noch nicht aus­ge­schöpf­ten Poten­zi­als für die pol­ni­sche Grenz­re­gi­on. Damit ver­bun­den sei aber ein not­wen­di­ger Netz­werk­aus­bau sowie eine Netz­werk­sta­bi­li­tät, um bei­spiels­wei­se zukunfts­ori­en­tiert auf grü­nen Was­ser­stoff zu set­zen.  Mar­ti­na Jakl (CZ) von der Deutsch-Tsche­chi­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer ver­wies dabei auf die vie­len klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men (KMU), die momen­tan nicht aus­rei­chend auf die aktu­el­le Ener­gie­kri­se vor­be­rei­tet sind und vor gewal­ti­gen wirt­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen, die teil­wei­se exis­tenz­be­dro­hend sind. Dies belas­tet die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung der Regi­on Nord­böh­men stark und hin­dert vor allem klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men an einer not­wen­di­gen Wei­ter­ent­wick­lung. Andre­as W. Pold­rack (DE) vom VEE Sach­sen sieht eine ähn­li­che Ent­wick­lung in Sach­sen und führt dies auf eine ver­fehl­te Poli­tik im Aus­bau von erneu­er­ba­ren Ener­gien zurück, da zu lan­ge auf Eigen­ver­ant­wor­tung gesetzt und der Aus­bau nicht ent­spre­chend aktiv vor­an­ge­trie­ben wur­de. Im Rah­men der Dis­kus­si­on wur­de somit betont, dass in der gesam­ten Drei­län­der­re­gi­on stär­ker auf den Aus­bau von erneu­er­ba­ren Ener­gien gesetzt wer­den muss und regio­na­le Erfah­run­gen ande­rer Grenz­re­gio­nen bes­ser über Infor­ma­tio­nen und Netz­wer­ke zugäng­lich gemacht wer­den müs­sen, um aus den Erfah­run­gen der Nach­bar­re­gi­on zu pro­fi­tie­ren. Dar­über hin­aus wur­de Was­ser­stoff als Zukunfts­spei­cher­tech­no­lo­gie mit gro­ßem Poten­ti­al für trans­na­tio­na­le Koope­ra­tio­nen iden­ti­fi­ziert. Hier muss ein Auf­bau einer regio­na­len Was­ser­stoff­stra­te­gie anset­zen, der die gesam­te Drei­län­der­re­gi­on im Blick hat. Dabei müs­sen aber die Bür­ger aktiv mit­ge­nom­men wer­den, ver­trau­ens­bil­den­de Maß­nah­men zu jewei­li­gen Ener­gie­stra­te­gien der Län­der näher erklärt wer­den und in der Öffent­lich­keit sicht­ba­rer dis­ku­tiert wer­den, um Ver­trau­en zu bilden.

Im zwei­ten Panel wur­de Ener­gie­po­li­tik im Span­nungs­feld euro­päi­scher und natio­na­ler Ziel­set­zun­gen dis­ku­tiert. Ein­lei­tend wur­de aus jeweils natio­na­ler Per­spek­ti­ve die bis­he­ri­ge Poli­tik zur Siche­rung der Ener­gie­ver­sor­gung von den Exper­tIn­nen bewer­tet und beleuch­tet, in wie fern eine gesamt­eu­ro­päi­sche Ener­gie­si­cher­heits­po­li­tik not­wen­dig sei und wie die­se­aus­se­hen soll­te. Damit schuf man ein Ver­ständ­nis für die jewei­li­gen natio­na­len Ener­gie­stra­te­gien der ein­zel­nen Län­der (DE/PL/CZ) und die Panelis­ten beton­ten, wie wich­tig ein gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis für unter­schied­li­che Schwer­punkt­set­zung inner­halb der natio­na­len Ener­gie­po­li­tik ist. Neben dem ein­stim­mi­gen not­wen­di­gen wei­te­ren und stär­ke­ren Aus­bau von erneu­er­ba­ren Ener­gien wur­de auch die Zukunfts­fä­hig­keit von Kern­kraft für CO2-neu­tra­le Ener­gie­ge­win­nung the­ma­ti­siert und dis­ku­tiert. Eine Rol­le wird auch grü­nem Was­ser­stoff als Zukunfts­tech­no­lo­gie und Spei­cher­tech­no­lo­gie zuge­schrie­ben. Adam Bla­zow­ski (PL) Ener­gie­ex­per­te vom FOTA4Climate in Polen beton­te hier­bei der Nut­zung von Was­ser­stoff für die Dekar­bo­ni­sie­rung der Dün­ge­mit­tel­in­dus­trie Vor­rang ein­zu­räu­men, anstatt ihn nur zur Ener­gie­ge­win­nung zu verbrennen.

 

Freiheit in konkreten Fragen der Dekarbonisierung für EU-Länder.

 

Der EU Green Deal soll­te alle koh­len­stoff­ar­men Ener­gie­quel­len ein­be­zie­hen. Da der EURA­TOM-Ver­trag eines der Grün­dungs­do­ku­men­te der EU ist, sol­len die Län­der die Frei­heit haben, ihre eige­nen Dekar­bo­ni­sie­rungs­pfa­de zu wäh­len, solan­ge sie die fest­ge­leg­ten Zie­le errei­chen können.

 

Nico­la Beer, Euro­pa­ab­ge­ord­ne­te, Vize­prä­si­den­tin des Euro­pa­par­la­ments und Mit­glied des Aus­schus­ses für Indus­trie, For­schung und Ener­gie beton­te in ihrer Key note speech zwei nöti­ge Ansatz­wei­sen, um eine lang­fris­ti­ge Ener­gie­markt­re­for­ma­ti­on umzu­set­zen. Zum einen beton­te sie, dass es not­wen­dig ist, ener­gie­ef­fi­zi­en­ter zu wer­den und zum zwei­ten, dass Ener­gie­im­por­te umstruk­tu­riert wer­den müs­sen. Zur Stei­ge­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz wird im Euro­päi­schen Par­la­ment aktu­ell an der Direk­ti­ve „Euro­pean Ener­gy Per­for­mance of Buil­dings Direc­ti­ve“ (EPBD)  gear­bei­tet und durch die „Ener­gy Effi­ci­en­cy Direc­ti­ve“ (EED) wur­de zudem im Sep­tem­ber im Par­la­ment bereits abge­stimmt und die Tri­log­ver­hand­lun­gen eröff­net. Dar­über hin­aus stell­te Nico­la Beer her­aus: „Die Umstruk­tu­rie­rung unse­rer Ener­gie­im­por­te ist nicht aus­rei­chend: wir müs­sen den gan­zen Markt­me­cha­nis­mus und des­sen Ange­bo­te refor­mie­ren.“ Neben RePowerEU und der Idee eines Ener­gie­bin­nen­mark­tes sieht Frau Beer die Chan­ce, feh­len­de Ener­gie­ka­pa­zi­tä­ten schnell mit erneu­er­ba­ren Ener­gien und umwelt­freund­li­che­ren Ener­gie­ver­sor­gung zu füllen.

 

Direkter Austausch zwischen Expert*innen und Teilnehmenden.

 

Mit Hil­fe des World Café For­mats konn­ten die Kon­fe­renz­teil­neh­me­rIn­nen in den direk­ten Aus­tausch mit den Panelis­tIn­nen und Exper­tIn­nen aus Deutsch­land, Polen und Tsche­chi­en tre­ten. Unter der mode­rier­ten Lei­tung von Karo­lin Gröschl (DE) vom Ener­gy Inno­va­ti­ons­cam­pus in Gör­litz wur­den unter ande­rem die Bezahl­bar­keit von Ener­gie, die Ver­ein­bar­keit von öko­lo­gi­schen Zie­len und öko­no­mi­schen Not­wen­dig­kei­ten, die Sicher­heit von Arbeits­plät­zen und die tech­ni­sche Dimen­si­on sowie loka­le, regio­na­le und euro­päi­sche Impli­ka­tio­nen bezüg­lich der Her­aus­for­de­rung des Turów-Streit­falls als Her­aus­for­de­rung für die Drei­län­der­re­gi­on dis­ku­tiert. Hier­bei ging bspw. Michae­la Kabá­čo­vá (CZ) vom Tsche­chi­schen Minis­te­ri­um für Indus­trie und Han­del auf die Tsche­chi­sche Posi­tio­nie­rung inner­halb der Kla­ge vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof im Fall Turów ein, Agnieszka Spi­ry­do­wicz (PL) vom ZKlas­ter in Polen dis­ku­tier­te über das Poten­ti­al grenz­über­grei­fen­der regio­na­ler Pro­jek­te, Mar­ti­na Jakl  (CZ) von der Deutsch-Tsche­chi­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer in Prag, stell­te öko­no­mi­sche Per­spek­ti­ven aus Unter­neh­mer­sicht für die Regi­on zur Dis­kus­si­on und Prof. Karel Fra­na (DE/CZ) von der Hoch­schu­le Zittau/Görlitz ging auf tech­nisch-tech­no­lo­gi­sche Per­spek­ti­ven für die zukünf­ti­ge Ener­gie­si­cher­heit in der Regi­on ein. Die Ergeb­nis­se der Dis­kus­si­on wur­den in Form eines Gra­phic Record­ings in sie­ben Moment­auf­nah­men zusammengefasst.

 

Die tri­la­te­ra­le Dia­log­kon­fe­renz fand am 2. Novem­ber an der HSZG in Zit­tau statt und wur­de in Zusam­men­ar­beit mit der Fried­rich-Nau­mann-Stif­tung für die Frei­heit und der Wil­helm-Külz-Stif­tung ver­an­stal­tet. Wir dan­ken allen Kon­fe­renz­teil­neh­men­den, Orga­ni­sa­to­ren und Betei­lig­ten für die rege Teil­nah­me und alle Diskussionsbeiträge!